20 Mrz Die Schwelle — den Übergang — segnen
Die Schwelle segnen
Wir befinden uns im Malprozess und auch im Leben manchmal an einer Schwelle. Das ist ein Ort, an dem wir nicht weiter wissen. Da gibt es alle möglichen vielschichtigen Argumente, Ideen, Zweifel, Wünsche, Gedanken und Gefühle, die uns dann an dieser Stelle nicht weiter gehen lassen. Nicht weiter malen lassen. Weil wir es nicht wirklich wissen. Weil wir es nicht wirklich intuitiv spüren, so dass der nächste Pinselstrich oder das nächste Motiv einfach da ist. Intuitiv käme es von selbst. Intuitiv würden wir im Malfluß bleiben. An diesem Ort, wo wir dann stocken, ist das eben anders. Da wirkten zu viele verschiedene Impulse auf uns ein. Also bleiben wir stehen. Es geht für einen Moment eben nicht, dass wir diese Schwelle überqueren. Manchmal fühlen wir uns dann so wie als hätten wir versagt, wir mögen diese Unsicherheit nicht. Und oft gehen wir ganz schnell darüber hinweg und malen irgendwas, oder machen irgendwas, dass aber nur wenig Energie hat und sich nicht gut anfühlt. Dann gehen wir zu schnell über diesen besonderen und ja auch kostbaren Moment hinweg. Denn wir könnten uns wieder in unsere eigene Präsenz bringen und dem in uns Aufmerksamkeit geben, was da ist. Auch dem, was nicht da ist. Wir könnten innehalten. Atmen. Uns in die eigene Gegenwärtigkeit hinein öffnen…
Von einer amerikanischen Malfreundin, die ich über das Malen mit Michele Cassou kennengelernt habe, bekam ich dann dieses Gedicht, das ich gerne mit Dir teilen möchte.
Die Schwelle segnen — von Jan Richardson
Diese Segnung hat lange Zeit auf dich gewartet, während du deinen Weg hierhin gegangen bist. Diese Segnung hat sich selbst zusammengesetzt, sich bereit gemacht, und betend den rechten Augenblick abgewartet.
Dieser Segen hat die Tür poliert, die Scharniere geölt, die Treppen gefegt, in den Fenstern Kerzen angezündet.
Dieser Segen hat den Tisch gedeckt, die Melodie eines alten Liedes summend, das er kennt. Irgendetwas über eine spiralförmige Straße und Brot und Gnade.
Die ganze Zeit hat er ein Auge auf dich gehabt, am Horizont, schauend, Nachtwache gehalten, kaum bewusst wie sehr er sich in deine Richtung gelehnt hat.
Und jetzt, wo du da bist, kann dieser Segen es kaum glauben, es ist ein Glücksfall, dass du endlich angekommenbist, dass er alles endlich loslassen kann, um dir seine Arme weit geöffnet entgegenzuwerfen, um dir zuzurufen:
Willkommen! Willkommen! Willkommen!