29 Jan. Malen ist wie im Leben sein
Ein Bild malen ist wie im Leben sein
Es gibt Zeiten im Leben, da stehen Veränderungen an. Diese sind so vielschichtig und so umfassend, wie zum Beispiel ein Umzug oder die Entscheidung für eine neue Arbeit oder vieles andere, das wirklich situations- und lebensverändert sein wird. Da kommen allerlei Gedanken und Gefühle zusammen und spielen so manches Mal durcheinander. Wie in einer Orchesterprobe, wo jede:r nur das eigene Instrument hört und die anderen übertönen will. Chaos. Laut. Verwirrung. Emotional kann das richtig verzweifelt machen. Ein Dirigent? ist auch nicht da und das, was du denkst, sei eine:r, du selbst, ist auch nicht etwas, worauf sich stützen lässt, weil auch überfordert und nicht eindeutig. Wer hört was? Und wenn mal ein Instrument heraussticht, wird es durch ein anderes in der nächsten Minute wieder übertönt — es gibt keinen Halt, alles spielt fast ununterbrochen ohne Struktur und erkennbaren Rhythmus munter drauf los.
So ist es auch oft im Malprozess. Es kommt dies und das als Idee — und diese Farbe vielleicht auch, und ach, das Motiv taucht auf, nein — das… es zieht einen weg, irgendwohin, mal in diese, mal in jene Richtung und irgendwie fühlt es sich nicht verbunden an. Warum? Weil ich nicht mehr weiß wo ich bin mit mir. Weil ich denke, ich könnte die Dinge im Leben und im Malen selbst lösen. Vor allen Dingen sofort. Aber vielleicht ist es noch gar nicht so weit? Vielleicht gibt es noch keine Klarheit und keine Lösung? Vielleicht geht es erst mal darum, mit allen Aspekten zu sein, alles zu bezeugen und: mich nicht davon überwältigen zu lassen. Ja, die Impulse und unterschiedlichsten Gefühle dürfen sein. Ich nehme das Blau und das Schwarz und das Grau und das Rot. Alles findet seinen Platz auf dem Bild. Auch im Leben. Im Bezeugen und im Willkommen heissen. Es braucht dieses Gewahrsein, dass ich da bin. “Ich” — ist was? Ich in Selbst ähnlichem Zustand? — in Gegenwärtigkeit, im Moment, in Präsenz, da. Mit allem — nicht weggezogen von etwas, dass das nicht aushält, das Ungewisse, das Chaos, das Beängstigende. Also versuche ich das zu bemerken, fühle ich das, was da ist und bitte es mich nicht zu überwältigen (ich kann trotzdem weinen oder lachen oder oder…) doch indem ich mit meinen Gefühlen, Sorgen, Ängsten und Wünschen in Beziehung gehe, kann ich auch mit dem sein, was das möglich macht. Nämlich meine Selbstpräsenz. Kurz mal atmen und mich spüren. Von dort aus die nächste Farbe nehmen, das nächste Motiv daraus heraus empfangen und weiter malen. Von Moment zu Moment. Vertrauen lernen. Vertrauen in die Intelligenz des schöpfersichen Prozesses im Malen und im Leben. Alles braucht seine Reifung. Dann ist es gut, denn das Leben und die Kreativität ist uns , ist mir, ja immer wohlgesonnen. Das weiß ich. Ich werde in Gegenwärtigkeit merken, was dran ist und die Lösung kommt von selbst. Wenn es soweit ist. Inzwischen male ich, atme ich, male ich.