Jed­er Men­sch ist ein Schöpfer

Jed­er Men­sch ist ein Schöpfer

„Jed­er Men­sch ist ein Schöpfer”

Alle jene, die sich nicht mit tra­di­tionellen Kun­st­for­men befassen, tun sich wom­öglich schw­er, sich als Kün­stler oder Kün­st­lerin zu beze­ich­nen. Sie sehen die Kreativ­ität als etwas Außergewöhn­lich­es an, das jen­seits ihrer Fähigkeit­en liegt. Als Beru­fung weniger Auser­wählter, die mit bes­timmten Begabun­gen zur Welt gekom­men sind.
Zum Glück ist das nicht der Fall.
Kreativ­ität ist keine sel­tene Fähigkeit. Kreativ­ität ist ein grundle­gen­der Aspekt des Men­sch­seins und nicht schw­er zugänglich. Sie ist unser Geburt­srecht und wir alle tra­gen sie in uns.
Bei Kreativ­ität geht es nicht auss­chließlich um das Her­vor­brin­gen von Kun­st. Wir alle sind täglich kreativ.
Etwas zu erschaf­fen bedeutet, etwas ins Sein zu brin­gen, das vorher noch nicht da war. Das kön­nte ein Gespräch sein, die Lösung zu einem Prob­lem, eine Nachricht an eine Fre­undin, das Umstellen von Möbeln in einem Raum, die Wahl eines anderen Heimwegs.
Was du erschaffst, muss nicht bezeugt, fest­ge­hal­ten, verkauft oder hin­ter Glas geschützt wer­den, um ein Kunst­werk zu sein. Schon allein durch unser ganz gewöhn­lich­es Dasein sind wir Schöpfer im tief­sten Sinne, denn wir erschaf­fen unsere Erfahrung der Wirk­lichkeit und gestal­ten die Welt, die wir wahrnehmen. In jedem Augen­blick tauchen wir in ein Feld undif­feren­ziert­er Materie ein, aus der unsere Sinne Infor­ma­tions­fet­zen sam­meln. Das Uni­ver­sum, das wir im Außen wahrnehmen, existiert als solch­es nicht. Dank ein­er Rei­he elek­trisch­er und chemis­ch­er Reak­tio­nen stellen wir in uns eine Wirk­lichkeit her. Wir erschaf­fen Wälder und Ozeane, Wärme und Kälte. Wir lesen Wörter, hören men, inter­pretieren und reagieren darauf. Und das alles in ein­er Welt, die wir selb­st erschaf­fen haben.
Wir führen alle­samt das Leben von Kün­stlern, ganz egal, ob wir for­mal Kun­st schaf­fen oder nicht. Wir nehmen Infor­ma­tio­nen auf und fil­tern und sam­meln sie, um dann auf dieser Grund­lage eine Erfahrung für uns selb­st und andere zu gestal­ten. Es spielt keine Rolle, ob wir dies bewusst oder unbe­wusst tun – durch die bloße Tat­sache, dass wir leben, sind wir aktive Teil­habende im ständi­gen Schöpfungsprozess.

Das Leben als Kün­st­lerin oder Kün­stler ist eine Art, in dieser Welt zu sein. Eine Art, wahrzunehmen. Eine stetige Übung, aufmerk­sam zu sein. Wir schär­fen unsere Sen­si­bil­ität für die sub­til­eren Noten. Acht­en auf das, was uns anzieht und was uns abstößt. Beobacht­en, welche Gefühlstöne auf­steigen und wohin sie uns führen.
Jede Entschei­dung, die wir im Leben tre­f­fen, ist eine Form der Selb­staus­drucks. Wir existieren als kreatives Wesen in einem kreativ­en Uni­ver­sum. Als einzi­gar­tiges Kunstwerk.

(Rick Rubin)